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Interview mit CEO Stefan Leitz

Seit Mitte März ist Stefan Leitz neuer Vorstandsvorsitzender von Faber-Castell. Sein Start erfolgte mitten in der Corona-Krise. Ein Interview über die Strahlkraft der Marke, die Auswirkungen der Pandemie, Malvorlagen und Produkte für neue Zielgruppen.

1. Herr Leitz, wie haben Sie das Unternehmen von außen wahrgenommen?

Faber-Castell hat mich schon als Kind begleitet und ebenso meine eigenen Kinder. Die einzigartige Firmengeschichte, aber auch die Produktpalette haben mich schon immer begeistert. Die Marke hat mit ihrer Historie und der Produktqualität eine globale Strahlkraft. Sicherlich etwas, das Anton-Wolfgang Graf von Faber-Castell in seiner über 40-jährigen Firmenleitung entscheidend mitgeprägt hat. Vor diesem Hintergrund besaß die Vorstellung, als zweiter familienfremder CEO das Unternehmen zu führen, einen großen Reiz.

2. Sie kommen aus der FMCG-Branche, also „schnell drehender Produkte“. Wo sind die Parallelen zu unserer Branche für Papier, Büroartikel und Schreibwaren – und wo gibt es Unterschiede?

Zunächst vorab: Die Unterschiede sind sehr viel geringer, als Sie erwarten mögen. In beiden Branchen spielt Markenführung eine entscheidende Rolle, genauso wie die Fähigkeit, die Konsumentensicht einzunehmen und Endverbraucher zu begeistern. Wichtig ist eine zeitgemäße Kommunikation und eine hohe Innovationskraft, denn es gibt wenige Wachstumsmärkte, dafür aber E-Commerce als neuen Vertriebskanal. Unterschiede sehe ich zum Teil hinsichtlich der Verbraucherbedürfnisse, bei Wettbewerbern und Vertriebskanälen. Die FMCG-Branche ist deutlich schneller, und es gibt mehr Start-Ups als in der PBS Branche.

3. Wie steht es um Faber-Castell, und wie hat das Unternehmen bislang die Krise gemeistert?

Das Wichtigste zuerst: Wir hatten gleich zu Beginn einen einzigen Corona Fall im Unternehmen und dies sehr professionell gemanagt. Toller erster Eindruck, wie zum Schutze der Menschen Maßnahmen ergriffen wurden. Das spiegelt eine große Wertschätzung den Mitarbeitenden gegenüber wider.

4. Und wie sieht es wirtschaftlich aus?

Faber-Castell hat das Geschäftsjahr mit 555 Millionen Euro Umsatz abgeschlossen. Im März erfolgten erste deutliche Einbrüche der Corona-Epidemie. Diese haben sich leider weiter beschleunigt. Wie in vielen Branchen sind die mittelfristigen Auswirkungen auch für uns momentan noch nicht absehbar. Wir müssen aber mit einer weiteren deutlichen Abwärtsbewegung bei Umsatz und Ertrag rechnen. Covid-19 wird auch bei uns Bremsspuren hinterlassen. Hintergrund ist die Tatsache, dass vier unserer internationalen Fertigungsstandorte wochenlang vom Lockdown betroffen waren und weltweit natürlich auch der stationäre Einzelhandel sowie Schulen und Universitäten lange Zeit geschlossen waren und in vielen Ländern noch sind. Faber-Castell ist traditionell sehr stark in Lateinamerika, zum Beispiel in Brasilien und Peru. Hier zeichnet sich derzeit noch kein Ende der Krisenmaßnahmen ab. Das Schulgeschäft – unsere wichtigste Saison – hat teilweise gar nicht stattgefunden. Auch der Kosmetikmarkt ist zurzeit stark rückläufig. Dies spüren wir natürlich unmittelbar. Dennoch ist es erstaunlich, mit welcher Energie und Kreativität unsere Tochtergesellschaften der Krise begegnen:

Das Online-Geschäft wird stärker aktiviert, internationale Meetings finden im virtuellen Raum statt, der Zusammenhalt und Austausch in der Gruppe ist intensiviert und verleiht uns mehr Dynamik. Dieses Momentum möchte ich uns auch für die Zukunft erhalten.

5. Gibt es Trends, die sich in der Corona-Krise abzeichnen? Wo liegen die Chancen bei Faber-Castell?

Wie gesagt: Die Marke hat eine globale Strahlkraft. Dank seiner internationalen Ausrichtung ist Faber-Castell breit aufgestellt, mit unterschiedlichen Schwerpunkten in einzelnen Regionen. Im Kerngeschäft haben wir eine starke, oftmals marktführende Stellung. Als Familienunternehmen sind wir langfristig orientiert, was richtig und wichtig ist. Für die nächste Dekade sehe ich großes Potential: Geografisch gibt es noch weiße Flecken, auch wenn wir bereits eine globale Ausrichtung haben. Im Kerngeschäft „Holzgefasste Stifte“ sind wir weltweit stark, jedoch bin ich sicher, es gibt noch viele Geschäftsfelder, in denen wir aufholen können, wenn wir uns noch stärker an den Bedürfnissen der Verbraucher orientieren. Diese haben sich ja auch gerade in der Corona-Krise verändert. Besonders gefragt waren während der Pandemie kreative Produkte für Kinder und Erwachsene; gleichzeitig registrierten wir auf unserer Website einen Anstieg von 300% bei Downloads von Malvorlagen und Tutorials, und in Brasilien wuchs die Zahl der Abonnenten von Online-Kursen um 4.500%.

6. Millennials nutzen kaum noch Stift und Papier. Wie wollen Sie diese wichtige Zielgruppe erreichen?

So ganz richtig ist dies nicht. Millennials sind in der Regel geschickter und schneller im Umgang mit digitalen Medien, aber sie arbeiten «hybrid», das heißt, sie nutzen die Kommunikationsmittel, die der jeweiligen Situation angemessen sind. Das kann durchaus auch ein Stift für Notizen und Uni-Mitschriften sein. Für diese Zielgruppe haben wir ein eigenes Sortiment entwickelt, das auf junge, hippe Produkte setzt, wie etwa unser Grip Füller mit zahlreichen Tintenfarben oder aber auch Textmarker und unsere Sparkle Bleistifte mit Glitzereffekt. Die Ansprache erfolgt in erster Linie über die sozialen Medien. Gleichzeitig werden wir unsere bisherigen Aktivitäten in der digitalen Kommunikation mit den Verbrauchern intensivieren.

7. Wie wichtig ist der Qualitätsaspekt noch – vor dem Hintergrund steigendes Kostendrucks?

Qualität ist und bleibt eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Marke. Ganz besonders, wenn man sich eher im Premium-Segment und nicht in Einstiegspreislagen bewegt. Gleichzeitig müssen wir auch hier extern orientiert sein: Wie wichtig ist dem Verbraucher welche Qualität? Und wieviel ist er bereit, dafür zu bezahlen? Somit müssen auch wir im steigenden Kostendruck bestehen und unsere Effizienz jedes Jahr weiterentwickeln.

8. Wo sehen Sie das Unternehmen in zehn Jahren?

Nach meiner Überzeugung ist unsere Vision “Unleash creativity” extrem zukunftsorientiert. Kreativität wird in Zeiten von künstlicher Intelligenz eine immer größere Bedeutung bekommen und geht heute schon weit über den künstlerischen Bereich hinaus. Dabei wird der Stift weiterhin wichtig bleiben, ähnlich wie die Wochenmärkte trotz oder neben Homeshopping stark gefragt sind.

Lebenslauf