Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts errichtete Freiherr Lothar von Faber als Wohnsitz für sich und seine Familie ein Schloss und eine Villa in Stein. 1903-1906 ließ seine Enkelin, Gräfin Ottilie gemeinsam mit ihrem Gatten Graf Alexander von Faber-Castell ein „Neues“ Schloss als repräsentativen Familiensitz an das bestehende anbauen.
Die Familie Faber-Castell bewohnte das Schloss bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. 1939 zog sich Roland Graf von Faber-Castell mit seiner Familie auf seinen Landsitz zurück. Währenddessen richtete die Wehrmacht eine Befehlsstelle der Flakscheinwerferabteilung im Schlossturm ein.
Bereits im Oktober 1945 erschienen die ersten Reporter und Reporterinnen in Stein. Einige reisten bald wieder ab, andere blieben hier bis zur Urteilsverkündung im Oktober 1946 bzw. bis zum Ende der Nachfolgeprozesse im April 1949. In dieser Zeit wurde in Stein „Geschichte geschrieben“.
Als die Journalisten und Journalistinnen nach Beendigung der Nürnberger Prozesse abgereist waren, bezog ein amerikanischer Offiziersklub bis zum Jahr 1953 die Räumlichkeiten. Doch auch nachdem die Amerikaner das Schloss wieder verlassen hatten, kehrte die Familie nicht mehr zurück. Lange Jahre versank es in einem Dornröschenschlaf, aus dem es erst 1986 wiedererwachte, als es im Rahmen einer Ausstellung zum 225jährigen Firmenjubiläum erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Heute ist es nach aufwändiger Restaurierung wieder in altem Glanz erstanden. Es beherbergt das Firmenmuseum und bietet den stilvollen Rahmen für gesellschaftliche Veranstaltungen.
Press Camp und das „Faber-Völkchen“
Die sowjetischen Journalisten übernachteten im ehemaligen Beamtencasino, einem Gebäude neben dem Schloss, das von den Amerikanern „Russian Palace“ genannt wurde. Alle Reporter und Reporterinnen aus der ganzen Welt fanden zu Mahlzeiten und abends in den Bars und zum Socialising im Schloss zusammen. Gegessen wurde gemeinsam im ehemaligen Ballsaal und im Speisesaal. Dort spielte sich auch ein Teil des sozialen Lebens des „Faber-Völkchens“ ab, wie die Bewohner vom amerikanischen Ankläger Telford Taylor scherzhaft genannt wurden. Für diese Zwecke wurde eine neue, große Party-Bar direkt in der Nähe der Speisesäle eingerichtet.
Mehrere Räume im Schloss wurden von den Alliierten umgebaut und umfunktioniert. So wurde aus dem großen repräsentativen Gobelinsaal ein Großraumbüro mit zahlreichen Schreibtischen. Dort verfassten die Reporter und Reporterinnen einen Teil ihrer Berichte über den Verlauf der Nürnberger Prozesse.
Eine der größten Herausforderungen bei der Organisation des Press Camps war die Unterbringung so vieler Menschen unter einem Dach. Shirer beschrieb die dort herrschenden Verhältnisse folgendermaßen: „Zu acht oder zehnt in einem Raum zusammengepfercht... sind sie gezwungen in sanitären Verhältnissen zu leben, die alles andere als sanitär sind und die der Staat New York in Sing-Sing niemals durchgehen lassen würde.“
Im gesamten Schloss herrschte drangvolle Enge: Im Salon der Gräfin reihten sich Bettgestelle aneinander und die sanitären Anlagen waren dem Ansturm der Personen nicht gewachsen. Dennoch wusste man sich gut zu unterhalten, wie Telford Taylor bestätigte: „Trotz der mangelhaften Unterbringung und Verköstigung waren Besuche im Faber-Kastell [sic!] stets unterhaltsam.“
Die Villa – ein Domizil für die Reporterinnen
Rebecca West beklagte sich, ähnlich wie ihre Kolleginnen und Kollegen, über die fehlende Privatsphäre: „Es gab im gesamten Schloss keinen Ort, an dem man allein sein konnte. Jedes Schlafzimmer füllte sich mit Menschen, die dort herumsaßen, weil auch sie ihre Schlafzimmer voll vorgefunden hatten“.
Sie genoss deshalb ihre Spaziergänge im Faber-Park, bzw. ihre Besuche im Wintergarten und im Gewächshaus der Familie von Faber-Castell, wo wunderschöne Veilchen gezüchtet wurden.
Das Leben im Press Camp
Bis ca. 17 Uhr waren die Journalisten und Journalistinnen im Justizpalast in Nürnberg bei den Verhandlungen dabei, danach begann für die Reporter und Reporterinnen die Freizeit. Viele nutzten die Zeit, um Berichte bzw. Tagebücher und Bücher zu schreiben. Im Press Camp wurden aber auch Tischtennis und Schach gespielt, es waren Leseecken und Bibliotheken vorhanden.
Weitere Unterhaltung wurde im ehemaligen Marstall geboten. Die Amerikaner richteten dort ein Kino ein, in dem man viele Hollywoodfilme anschauen konnte. Vor allem die russischen Bewohner des Schlosses erfreuten sich an den Lichtspielen.
Die Berichterstatter und Berichterstatterinnen schildern in ihren Tagebüchern und Publikationen die Abende in den beiden Bars im Press Camp, beschreiben den Weihnachtsbaum, der 1945 mit Schreibmaschine und Whiskyflaschen geschmückt wurde, und die zahlreichen Partys, die im Schloss gefeiert wurden.
Im Empfangssalon des Schlosses wurde im Jahr 1948 sogar die Hochzeit von Ray D´Addario und der Dolmetscherin Margarete Borufka gefeiert. Der amerikanische Armeefotograf hielt in seinen Bildern nicht nur die Nürnberger Prozesse, sondern auch das Leben im Press Camp und die zerstörte Stadt Nürnberg fest.
Noch nie zuvor kamen so viele Korrespondenten und Korrespondentinnen, Schriftsteller und Schriftstellerinnen und Journalisten und Journalistinnen aus so vielen Ländern zusammen. Trotz anfänglicher Schwierigkeiten und der suboptimalen Lebensbedingungen im Press Camp wuchs die Reportergemeinde zusammen.
1946, nach dem Hauptkriegsverbrecherprozess, kam für die meisten Reporter und Reporterinnen der Tag der Abreise. Der sowjetische Schriftsteller Boris Polewoi berichtete von einem "herzlichen Abschied" von den ausländischen Korrespondenten: "Sie haben eine andere Vorstellung vom Glück als wir, eine andere Weltanschauung, andere Arbeitsmethoden. Nichtsdestoweniger sind wir neun Monate gut miteinander ausgekommen ..."